Software 2 - I und Q

Als ich anfing, mich mit SDR und der digitalen Signalaufbereitung zu beschäftigen, hatte ich arge Probleme, mir die Aufspaltung eines HF-Signals in den sog. I-Anteil (In Phase Signal) und den Q-Anteil (Quadratursignal) überhaupt vorstellen zu können. Ich habe dann viel in der entsprechenden Fachliteratur gestöbert, fand aber das, was es dort zu lesen gab, auch nicht besonders erhellend. Alles war sehr theoretisch und mit viel Mathematik abgehandelt, gab mir als praktisch denkenden Funkamateur ohne tiefen Elektronik-Hintergrund aber immer noch keine genaue Vorstellung von solchen Signalen.

Ich habe dann versucht, für mich selber ein praktisches Modell zu entwickeln, das das Wesen von I- und Q-Signalen sichtbar, nachvollziehbar und verständlich machen konnte. Dieses Modell möchte ich hier vorstellen, bin mir aber bewusst, dass es sicherlich unvollständig und vielleicht auch falsch sein könnte. Deshalb bin ich für Anregungen, Kritik und Korrektur in jeder Form dankbar.

Wir als Funkamateure kennen seit unserer Lizenzprüfung die bekannte Darstellung eines Signals in einem zweidimensionalen Koordinatensystem mit der Zeit aufgetragen auf der x-Achse und der Amplitude des Signals als y-Achse.

In der Schreibweise mittels Polarkoordinaten wird die Position des roten Punktes über die Länge des Zeigers z und seinen Winkel w zur t-Achse angegeben.

Nun zum roten Punkt! Die Frage ist: Liegt er wirklich da, wo die Koordinaten hinweisen?

Nun behaupte ich einfach einmal: NEIN! Was wir nämlich in dem zweidimensionalen Koordinatensystem sehen, ist einfach eine Projektion des Punktes in die t-a-Ebene (also in die Ebene des Papiers). Der roten Punkt kann nämlich auch weit unterhalb oder oberhalb der Papierebene liegen. Was mir nämlich erst bei der Beschäftigung mit den I- und Q-Signalen so richtig bewusst geworden ist (shame on me!!), ist die Tatsache, dass es sich bei Funkwellen um dreidimensionale 'Gebilde' handelt. Es fehlt also die räumliche Dimension.
Dazu habe ich mir nun ein Gedankenexperiment ausgedacht, um mir das wirklich klar zu machen. Begeben wir uns einmal in ein Schwimmbad, besser noch in ein Wellenbad.


Hier halten sich sehr viele Menschen im Wasser auf. Wie kann man jetzt die Position eines beliebigen Schwimmers im Wasser bestimmen, und zwar seine Position zu den Rändern des Beckens und seine Höhe über Grund? Die Höhe über Grund verändert sich ja, je nach dem ob der Schwimmer gerade in einem Wellental oder auf einem Wellenberg ist.

Dazu betrachten wir das Wellenbad vereinfacht als einen gläsernen, rechteckigen Trog, so dass man sowohl von der langen Seite als auch von der schmalen Seite in das Wasser schauen kann. Dann vereinfachen wir noch weiter und stellen uns das Wellenbad so vor wie in der unten stehenden Abbildung gezeigt.

Der nun hellblaue Punkt ist der Schwimmer. Er ist in der dreidimensionalen Ansicht irgendwo kurz vor dem höchsten Punkt eines Wellenberges und befindet sich nahe am hinteren Rand des Beckens. In einem zweidimensionalen Koordinatensystem sähe nun seine Position relativ zur vorderen linken Ecke des Beckens zu einer bestimmten Zeit t wie folgt aus:

Der Schwimmer befindet sich also zur Zeit t auf der Höhe a über dem Schwimmbad-Boden. Als Polarkoordinaten wären das die Länge des Zeigers x und sein Winkel φ (Phi) relativ zum Boden des Beckens. Was nun sofort einleuchtet, ist, das diese Position unvollständig ist! Es fehlen uns weitere Positionsdaten. Dazu laufen wir nun einfach um die Ecke des Beckens und betrachten die Position des Schwimmers von der kurzen Beckenseite her. Das obige Diagramm muss dazu um 90° gedreht werden. Das sieht dann so aus:


Wie wir nun erkennen, ergibt sich ein zweites Wertepaar, das nun den Abstand des Schwimmers vom linken Beckenrand und seine Höhe über Grund beschreibt. Es leuchtet sicherlich ein, dass nur beide Wertepaare zusammen die genaue Position des Schwimmers ergeben. Somit können wir mit Hilfe der beiden Wertepaare die Position jedes Schwimmers im Becken bestimmen.

Das erste Wertepaar beschreibt also die zeitliche Position eines Punktes auf einer Welle und somit auch durch Umrechnung (f = 1/t) die Frequenz. Das zweite Wertepaar ergibt sozusagen die Lage des Punktes im dreidimensionalen Raum zu der Zeit t. Somit können wir durch den I-Anteil (erstes Wertepaar) und durch den Q-Anteil (zweites Wertepaar) jeden beliebigen Punkt auf einem Signal beschreiben bzw. auch wieder reproduzieren. Mathematisch wird der I-Anteil durch eine Cosinusfunktion beschrieben, der Q-Anteil durch eine um 90° dazu phasenverschobene und senkrecht auf dem I-Anteil stehende Sinusfunktion. Zur Erinnerung: Wir mussten um das Schwimmbecken herum 90° zur Schmalseite laufen, um die räumliche Position des Schwimmers zu finden.

Mathematisch nennt man das dann wohl den reellen Anteil I (In Phase) und den imaginären Anteil Q (Quadratur Phase) eines Signals. Dazu gibt es auch einen interessanten Artikel von Richard Lyons, dem Autor des Buches „Understanding Digital Signal Processing“. Der Artikel heisst „Quadrature Signals: Complex, But Not Complicated“ (Quadratursignale: Komplex, aber nicht kompliziert). Dort habe ich ein Bild gefunden, dass I- und Q-Signale und ihren Zusammenhang meiner Meinung nach sehr klar beschreibt. Mit Genehmigung des Autors möchte ich es hier präsentieren:


Die Bewegung des  ej2Лft-Zeigers (a) und der Zeigerspitze (b)

Sowohl das Buch von Richard Lyons als auch der Kurzartikel über komplexe Signale sind sehr empfehlenswert. Der Kurzartikel „Quadrature Signals: Complex, But Not Complicated'' wurde von mir ins Deutsche übersetzt und ist hier unter dem Titel "Quadratursignale: Komplex, aber nicht kompliziert" verfügbar.